Abnehmen mit der App – ErfolgsAPPgrade oder VerAPPelung?

Das Abnehmen mit Smartphone-Apps boomt. Ich beschäftige mich bereits seit fünf Jahren mit unterschiedlichen Tools zur elektronischen Unterstützung der Gewichtsabnahme. Davon gehört habe ich zunächst in den verschiedensten Forschungssymposien.

Bereits 2006 konnte die Forschungsgruppe um Wing nachweisen, dass gerade bei Menschen, die noch keine Massnahmen zur Gewichtsabnahme durchgeführt hatten, ein elektronisches Beratungstool innerhalb der ersten neun Monate genauso erfolgreich eine Gewichtsabnahme herbeiführen konnte wie ein persönlicher Coach. Nach dieser Zeit wird dann der persönliche Kontakt zum beratenden Menschen relevant für den Therapieerfolg. Mittlerweile gibt es sehr viele Studien, beispielsweise von Radcliffe (2012) und Apple (2011), welche den Erfolg dieser elektronischen Tools nachweisen.

Man muss aber feststellen, dass die einzelnen Anbieter sehr unterschiedlich an diese Thematik herangehen.

Auf dem Markt am bekanntesten ist die App von eBalance. Dieses Produkt verfügt bereits über eine längere Marktpräsenz im persönlichen Coaching von Abnehmwilligen und hat sich bewährt. Gerade am Anfang benötigt man allerdings ziemlich viel Zeit, um Nahrungsmittel und Ernährungsgewohnheiten zu erfassen und Essprotokolle zu erstellen. Die Unterstützung ist hier durch qualifizierte Fachleute sichergestellt.

Ich persönlich finde die App von OVIVA besser (möchte aber anmerken, dass ich als medizinische Beraterin dieses Produktes keine unvoreingenommene Betrachtung haben kann). In der App kann man je nach Bedarf etwas flexibler gecoacht werden. Die Nahrungsmittel müssen nicht eingetippt werden, sondern die KlientInnen machen Fotos von dem, was sie essen und trinken, und leiten das an den Beratenden weiter, sodass je nach Zielstellung berechnet und beraten werden kann.

Im Rahmen unserer Studien haben wir festgestellt, dass über 50 % unserer PatientInnen ihre Portionsgrössen massiv fehleinschätzen. Diese Fehleinschätzung ist durch die Fotodokumentation nicht mehr möglich.
Auch hier wurde durch Scheuing (2014) im Rahmen von Studien festgestellt, dass diese Art der Dokumentation zu 81 % so genau ist wie ein Wiegeprotokoll. Auch sprachliche Barrieren und ethnische Besonderheiten in der Ernährung sind so sehr gut zu bewältigen. Die Häufigkeit des Kontaktes ist flexibel.

Für eBalance spricht der Preis, für OVIVA – bei ernährungsabhängigen Erkrankungen – die ärztliche Verordnungsfähigkeit und die dadurch bestehende Möglichkeit, in eine Face-to-Face-Beratung zu wechseln. Hinter beiden Systemen stehen aber qualifizierte ErnährungsberaterInnen und im Backup auch ärztliche BeraterInnen.
Zu erwähnen wäre noch der KiloCoach, die Schweizer Version eines österreichischen Internetprogramms. Der Vorteil dieses Programms besteht darin, dass man es erst einmal sieben Tage kostenlos testen kann. Auch hier berät ein Expertenteam.

Ich persönlich benutze Lifesum. Mit ca. 30 Fr. für sechs Monate ist diese App im Vergleich zu anderen Begleitapplikationen nicht ganz billig, aber ich liebe dieses Tool, insbesondere da man verpackte Produkte mit ihrem Strichcode einscannen kann und ganz schnell einen Überblick über Kalorien, Fett und andere Inhaltsstoffe erhält. Somit beansprucht die Erstellung des Ernährungstagebuchs nur wenige Minuten täglich.

Ich selbst habe die verschiedensten Apps an mir ausprobiert. Da ich mit einem BMI von 24 nicht zwingend Gewicht reduzieren muss, war mein vordergründiges Ziel, die Zeit und die Handhabbarkeit zu überprüfen. Generell kann ich sagen, dass ich mit all diesen Tools Erfolg hatte, allein dadurch, dass ich mein Verhalten observiert habe. Ich bin ein Mensch, der vor allen Dingen durch Bewegung motiviert werden kann und dem es hilft, Dinge möglichst objektiv anzugehen.

Mich haben die verschiedensten Tools hauptsächlich zu mehr körperlicher Aktivität animiert. Ich konnte vor allem meinen Körperfettanteil innerhalb von sechs Monaten signifikant vermindern.
Wenn man in den App Store hineinschaut, gibt es aber unzählige Angebote zur elektronisch unterstützten Gewichtsreduktion. Bisher ist nicht geregelt, dass derartige Beratungstools eine überprüfbare Qualität nachweisen müssen. Die Gesetzgebung prüft momentan Möglichkeiten, elektronische Tools zur Gesundheitsberatung zu zertifizieren und damit auch eine gewisse Empfehlung und Sicherheit für die Bevölkerung herzustellen.

Wir haben gerade eine Studie an insgesamt fast 800 nicht chirurgisch behandelten PatientInnen durchgeführt und festgestellt, dass die Gruppe bezüglich der Gewichtsabnahme am erfolgreichsten ist, die parallel zur Führung im Adipositaszentrum digitale Tools benutzt: 90 % der PatientInnen, welche diese Art der Begleitung praktizierten, haben eine Gewichtsabnahme von mehr als 5 % ihres Ausgangsgewichts erreichen können.

Ein Beitrag von Dr. med. Susanne Maurer – Leiterin Adimed–Zentrum für Adipositas- und Stoffwechselmedizin Winterthur.

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