Ist Dein Körper Freund oder Feind?

Übergewicht kann einem das Leben ganz schön schwer machen – wortwörtlich! Nicht nur körperlich ist der Alltag beschwerlich, sondern auch der Umgang mit dem eigenen Selbst kann beeinträchtigt sein.

Fortwährende Ablehnung und Stigmatisierung von außen (aber auch von innen!) verringern das Selbstwertgefühl. Nicht selten wird der eigene Körper zur Projektionsfläche für negative Gefühle und Gedanke. Dies äußert sich in Sätzen, wie zum Beispiel:

«Wegen meinem Körper/Übergewicht…
…werde ich nicht akzeptiert.»
…werde ich nicht ernst genommen.»
…werde ich nicht geliebt.»

und so weiter.

Wenn solche Sätze verinnerlicht werden und sich im Selbst etablieren, sprechen wir von einem negativen Körperbild. Das Gefühl «nicht zu genügen» lastet schwer. In manchen Fällen berichten übergewichtige Menschen sogar, dass sie ihren Körper und sich selbst «hassen». Der Körper wird als Feind wahrgenommen und fast ausschließlich mit negativen Formulierungen betitelt.

Eine Radikaldiät verspricht den raschen Ausstieg aus dieser angespannten Situation. Nur so lässt sich erklären, warum sich übergewichtige Menschen mit viel Aufwand, extremem Hunger und wenig Genuss durch den Diätendschungel kämpfen. Leider bestätigt jeder gescheiterte Diätversuch das frustrierende Gefühl, nie zu erreichen, was man sich wünscht. Die Gefühlswolke bleibt düster und Essen kann helfen, die Stimmung kurzfristig aufzuhellen. Damit ist die Abwärtsspirale der Gefühlslage vorprogrammiert.

Ein erster wichtiger Schritt aus diesem Teufelskreis

Eine langfristige und deutliche Gewichtsreduktion ist ein erster wichtiger Schritt aus diesem Teufelskreis. Untersuchungen zeigen, dass sich das Körperbild durch eine bariatrische Operation signifikant verbessert, wobei diese Veränderung nicht linear verläuft und bei Frauen stärker ausgeprägt ist als bei Männern. Bei vielen Übergewichtigen beobachtet man mit der deutlichen Reduktion des Körpergewichts auch einen Rückgang der negativen Gefühle. Das Selbstvertrauen und die Hoffnung auf ein «leichteres Leben» wächst. Der Selbstwert wächst noch deutlicher, wenn er in dieser Phase bewusst gestärkt wird. Es ist elementar, die Phase der körperlichen Veränderung zu nutzen, um an den eigenen inneren Einstellungen, Gefühlen und der Körperwahrnehmung zu arbeiten. Es geht darum, das Selbstvertrauen mit konstruktiven Attributen aufzuwerten und zu ergänzen. Das bedeutet konkret: Akzeptanz, Selbst-Mitgefühl, Wohlwollen, Klarheit, Humor und Herzenswärme für sich selbst aufzubringen. Genussvolles, achtsames und ausgewogenes Essen erfüllt alle diese Eigenschaften. Und weil wir alle mehrmals pro Tag essen, ist die Ernährung ein gutes Trainingsfeld für den fürsorglichen Umgang mit sich selbst. Gerade im Selbst-Mitgefühl liegt der Schlüssel zu einem gesunden Essverhalten, das Genuss, Auswärtsessen mit Freunden oder kreatives Kochen zulässt, ohne dass die Angst vor einer Gewichtszunahme hinter der nächsten Ecke lauert. Selbst-Mitgefühl als Gegenpol der Selbstkasteiung ist lernbar.

Wenn sich das Gewicht nach der Operation erstmalig stabilisiert oder sich sogar ein kleiner Gewichtsanstieg ankündigt, kann das heftige Gefühle auslösen. Die Angst, das neu gewonnene Lebensgefühl wieder aufgeben zu müssen, ist groß. Dann ist es wichtig, nicht in Panik und in alte Verhaltensmuster zu verfallen, sondern Unterstützung von Fachpersonen anzufordern, die euch durch die Krise begleiten. Zögert nicht, euch beim Behandler eures Vertrauens zu melden und auszusprechen, was euch besorgt.

Es geht schlussendlich darum, etwas anders zu machen!

Durch regelmäßiges Training der Selbstachtung kann sich auch das Körperbild nachhaltig vom Feind zum Freund entwickeln. Ganz nach dem Motto: «In jedem Neuanfang wohnt ein Zauber inne» (Goethe). Euer Körper soll euer guter Freund sein, denn ihr habt nur diesen!

Von Jsabella Zädow, Geschäftsinhaberin Kompetenzzentrum für Ernährungspsychologie (KEP) in Zürich

Quellen:
De Zwaan M., Herpertz S. & Zipfel S., Psychosoziale Aspekte der Adipositas-Chirurgie; Springer-Verlag (2019)
Hünnemeyer K., Gewichtiger Körper- Untersuchung zum Körperbild extrem adipöser Patienten vor und nach bariatrischer Operation (2014)
Rytz T., Achtsame Körperwahrnehmung, Eigenes Erleben integer verkörpern (2020)

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