Nebennierenfunktionsstörungen und Adipositas

Wir haben zwei Nebennieren, die jeweils der rechten bzw. linken Niere aufliegen. Sie bestehen aus der Nebennierenrinde und dem Nebennierenmark.

Was ist die Funktion der Nebenniere?

Die Nebennierenrinde wird vom Hypothalamus im Gehirn durch die Hirnanhangsdrüse über Abgabe von Hormonen reguliert und besteht aus drei Schichten. Die äusserste stellt sogenannte Mineralokortikoide her, welche über die Regulation von Blutsalzen den Blutdruck einstellen.
Weiter innen folgt eine Schicht, welche Glukokortikoide herstellt, die für die Regulation des Stoffwechsels und des Immunsystems verantwortlich sind.
Die innerste Schicht der Nebennierenrinde stellt die Geschlechtshormone her. Das Nebennierenmark hingegen wird nicht vom Gehirn direkt, sondern vom sympathischen Nervensystem reguliert. Letzteres gehört zum autonomen Nervensystem, das wir nicht bewusst steuern können, im Gegensatz z. B. zum somatischen Nervensystem, mit dem wir unsere Skelettmuskulatur kontrollieren.

Das sympathische Nervensystem stimuliert das Nebennierenmark, wodurch Katecholamine (Stresshormone) ausgeschüttet werden.

Die Nebenniere ist wichtiger Teil des Stresssystems des Körpers.[1] Im Fall von Stress werden Hormone in der Nebenniere ausgeschüttet, die den Körper schützen sollen. So werden sowohl Glukokortikoide wie auch Katecholamine ins Blut abgegeben und führen zu vermehrter Glukosefreisetzung für die Zellen sowie zu erhöhtem Herzauswurf, inklusive Anstieg des Blutdrucks.

Hat Adipositas einen Effekt auf die Nebennieren?

Übergewicht führt zu einer Aktivierung der Hypothalamus-Hirnanhangsdrüse-Nebennierenrinden-Achse, und zwar über eine Vergrösserung der Rinde.

Auch die Funktion des Nebennierenmarks ist bei übergewichtigen Menschen verändert. Hier kommt es sowohl zu einer verminderten Katecholaminproduktion wie auch zu einer verminderten Reaktion der Katecholaminproduktion, also der Feinabstimmung auf den Bedarf des Körpers. So wird bei normalgewichtigen Personen die Katecholaminproduktion nach Einnahme von Kohlenhydraten vermindert, was bei Personen mit Übergewicht weniger zu beobachten ist.[2]

Was bedeuten diese Veränderungen potenziell für einen übergewichtigen Menschen?

Diese Veränderungen der Nebennierenhormone haben Effekte auf den gesamten Körper. Sie erhöhen das viszerale, also das im Bauch angelagerte Fett, und die Glukoseintoleranz, was eine Vorstufe von Diabetes mellitus Typ 2 ist. Die Hormonveränderungen können auch zu Bluthochdruck führen. Zudem können sie das kardiovaskuläre Risiko erhöhen und die Entstehung einer Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung) fördern.[3]

Letztlich hat Übergewicht auch einen Einfluss auf die Herstellung der Sexualhormone sowie des Verhältnisses von weiblichen (Östrogenen) und männlichen (Androgenen, v. a. Testosteron) Geschlechtshormonen zueinander. Dabei kommt es bei Männern zu einer verminderten Freisetzung von Testosteron, wohingegen bei Frauen eine vermehrte Testosteronkonzentration festgestellt werden kann.[4]

Die Östrogenkonzentration ist sowohl bei adipösen Männern wie Frauen höher als bei normalgewichtigen Personen, was wahrscheinlich dadurch bedingt ist, dass Fettzellhormone die Umwandlung von Sexualhormon-Vorstufen in Östrogen anregen können.[5]

Bei übergewichtigen Frauen tritt häufig Unfruchtbarkeit (Infertilität) auf. Dies ist durch die erhöhte Androgenproduktion und die dadurch begünstigte Entwicklung von polyzystischen Eierstöcken bedingt. Liegt zudem noch Diabetes mellitus vor, führt dies indirekt zu einer weiteren Stimulation der Androgensynthese und somit zur Verstärkung dieses Effektes.

Kann die Nebenniere Einfluss auf Adipositas nehmen?

Ja, eine Überproduktion von Glukokortikoiden aus der Nebennierenrinde kann, wenn sie über eine gewisse Dauer besteht, zu Übergewicht führen. Dieses Übergewicht ist dann typischerweise stammbetont und auch assoziiert mit anderen Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Muskelschwäche oder Osteoporose. Ob eine Überproduktion von Glukokortikoiden als Ursache für Übergewicht vorliegt, z. B. durch einen hormonproduzierenden Tumor (gut- oder bösartig) im Hirn, der Nebenniere oder in Ausnahmefällen auch an anderen Orten des Körpers, wird im Rahmen von Übergewichtsabklärungen daher regelmässig kontrolliert. Sie ist aber doch insgesamt selten die Ursache für Übergewicht. Sollte sie es sein, wäre die entsprechende Therapie in diesem Fall die Behandlung des hormonproduzierenden Tumors, z. B. durch chirurgische Entfernung der entsprechenden Nebenniere oder auch der Hirnanhangsdrüse.

Fazit

Die Nebennieren nehmen eine wichtige Funktion im Körper ein und Übergewicht bringt dieses sonst sehr fein eingestellte Gefüge durch Stimulation der Nebennierenrinde aus dem Gleichgewicht. Dies kann zu einer Verstärkung des Übergewichts und zur Erhöhung des Risikos für die Entwicklung von Diabetes mellitus führen sowie zu kardiovaskulären Erkrankungen. Zuletzt hat es auch Einfluss auf die Geschlechtshormone und kann für Infertilität bei übergewichtigen Frauen verantwortlich sein.

Ein Beitrag von PD Dr. med. Diana Vetter

 

  1. Nicolaides, N.C. et al., Stress, the stress system and the role of glucocorticoids. Neuroimmunomodulation, 2015. 22(1–2): p. 6–19.
  2. Reimann, M. et al., Adrenal medullary dysfunction as a feature of obesity. International Journal of Obesity (London), 2017. 41(5): p. 714–721.
  3. Kanczkowski, W., M. Sue and S. R. Bornstein, The adrenal gland microenvironment in health, disease and during regeneration. Hormones (Athen), 2017. 16(3): p. 251–265.
  4. Ivandic, A. et al., Hyperinsulinemia and sex hormones in healthy premenopausal women: relative contribution of obesity, obesity type, and duration of obesity. Metabolism, 1998. 47(1): p. 13–9.
  5. Smith, S. R., The endocrinology of obesity. Endocrinology and metabolism clinics of North America, 1996. 25(4): p. 921–42.
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